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Das ursprüngliche Gebäude des Wiener Stadtgerichtshaus, die sogenannte Bürgerschranne, befand sich von 1440 bis 1839 am Hohen Markt 5. Im Jahr 1773 wurde die Schranne unter Kaiser Joseph II. vergrößert und das Stadt- und Landesgericht des Wiener Magistrats in diesem Haus vereinigt. Ab diesem Zeitpunkt trug es die Bezeichnung „Kriminalgericht“.
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Da das alte Gericht veraltet und zu klein war, wurde 1818 ein Neubau beschlossen. Um einen genügend großen Bauplatz bereitstellen zu können, war man gezwungen, das Gebäude außerhalb der Stadt zu situieren. In der damaligen Alservorstadt, heute Teil des 8.Bezirks, Josefstadt, wurde an der Stelle der bürgerlichen Schießstätte sowie des benachbarten Friedhofs schließlich ein geeigneter Baugrund gefunden, und ein Entwurf, den Johann Fischer 1828 erstellt hatte, wurde in den Jahren 1831–1839 realisiert.
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Das Gebäude wurde auf einem 21.872 qm großen Baugrund mit einer Länge von 223 Metern errichtet. Bereits wenige Jahre später fanden jedoch mehrere Umbauten bzw. Vergrößerungen statt und in den Jahren 1906–1907 wurde auf dem ursprünglich zweigeschossigen Bauwerk ein weiteres Stockwerk aufgesetzt. Der Hof ist in drei Trakte unterteilt, in denen sich das Gefangenenhaus, das Gefängniskrankenhaus (Inquisitenspital) sowie eine Kapelle befinden.
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Das groß dimensionierte, in schlichten klassizistischen Formulierungen errichtete Gebäude lässt in seiner Gestaltung zweifellos den Einfluss Peter Nobiles erkennen, der als ein führender Architekt des Spätklassizismus in Wien gilt.
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Die massiven, stereometrisch geformten und sparsam gegliederten Bauteile sowie der Einsatz von markantem, bossiertem Quaderwerk zeigen jedoch ebenso eine verblüffende Nähe zur französischen Revolutionsarchitektur, die in den 1780er Jahren aufkam und als deren wichtigste Vertreter Claude N. Ledoux und Étienne-Louis Boullée gelten. Auch deren – allerdings zum Teil ins Extrem übersteigerter – Ausdruck einer „architecure parlante“ findet sich in Fischers Landesgericht: der geböschte, hohe Sockel, die wehrhafte Umrahmung der Fenster mit Quadersteinen, die aus dem Festungsbau bekannten Turmaufsätze an den Ecken des Gebäudes sowie die geböschte rustizierte Portalanlage weisen als fortifikatorische Motive allesamt auf den Zweck des Gebäudes hin. Allerdings ist eine direkte Beeinflussung durch die französische „Revolutionsarchitektur“ nicht anzunehmen, da diese in Österreich erst Anfang des 20.Jh.s breiter bekannt wurde. Interessant ist daher, dass Johann Fischer in seinem Werk eine ähnliche Grundhaltung – der Bruch mit der barocken Tradition und das Propagieren eines kargen, monumentalen Klassizismus – erkennen lässt. |
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