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Jakob Flucher


ÖIAV 1872

Persönliche Daten
Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
Auszeichnungen und Ämter
Mitgliedschaften
Vita
Stellenwert
Werke
Primärquellen
Sekundärquellen
Anmerkungen
Persönliche Daten
* ca.1814 - † 12.11.1892
Geschlecht: m
Geburtsort: Maribor
damaliger Name: Gravinska bei Marburg, Stmk.
Land: Slowenien
damaliger Name: Kaisertum Österreich
Sterbeort: Wien
Land: Österreich
damaliger Name: Österreich-Ungarn
Religionsbekenntnis: Röm. - Kath.
Berufsbezeichnung: Stadtbaumeister
Familiäres Umfeld: Ehe mit Friederike, geb. Niederndorfer (*ca.1836–1900)
Tochter: Anna, verehel. Herrmann (1860–1929)
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Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
o.J.Schule in Marburg und Graz
o.J.Maurerlehre in Graz
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Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
um 1838Polier
1847Baumeisterkonzession
vor 1868protokollierte Firma
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Auszeichnungen und Ämter
1825Gundelpreis
ab 1847Bürger von Wien
1863–1871Bezirksausschuss 4.Bezirk
1875–1884Gemeinderat für den 4. Bezirk
1879–1883Mitglied der Sektion für Inneres, Bauwesen und Finanz
o.J.Bauschätzmeister des Oberhofmarschallamtes
o.J.Mitglied der Friedhofskommission
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Mitgliedschaften
ab 1847Bau- und Steinmetzmeister Genossenschaft
ab 1864Österr. Ingenieurverein (=ab 1865 Österr. Ingenieur- und Architektenverein)
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Vita
Jakob Flucher wurde im Jahr 1815 in der Nähe von Marburg, damals Steiermark, heute Maribor, SLO, geboren. Über seine Familie ist nichts bekannt. Er besuchte zunächst Schulen in Marburg und in Graz und absolvierte anschließend in Graz eine Maurerlehre. Im Jahr 1838 kam er nach Wien und nach einigen Praxisjahren wurde er Polier. In dieser Eigenschaft war er für etliche Privatbauten verantwortlich und darüber hinaus wurden ihm ein Bauabschnitt der Südbahn (ehemals Gloggnitzer Bahn), sowie mehrere Fabriksbauten anvertraut.

1847 erhielt Flucher die Baumeisterkonzession und gründete bald darauf eine eigene Baufirma, die sich in der Folge zu einem florierenden Unternehmen entwickelte. Er errichtete eine Reihe von Miethäusern – er soll ganze Straßenzüge verbaut haben – wobei er bzw. seine Frau zumeist auch als Bauherr auftrat. Der Großteil der Häuser ist allerdings heute nicht mehr fassbar. Bemerkenswert ist, dass Flucher zum Teil Miethäuser, deren Besitzer er war, durchaus auch von anderen Stadtbaumeistern planen ließ (z.B. Wien 4, Argentinierstraße 65, erbaut von Stadtbaumeister August Ribak, Bauherren Jakob und Friederike Flucher).

Flucher wurde auch bei zahlreichen bestehenden Häusern mit Adaptierungen, wie etwa Aufstockungen, betraut. Oftmals zogen diese Maßnahmen auch eine neue Gestaltung der Fassaden mit sich.

Flucher war Bauschätzmeister des k.u.k. Obersthofmarschallamtes und auch im Kommunalwesen engagiert. Er war im Bezirksausschuss für den 4.Wiener Gemeindebezirk tätig und wurde schließlich zum Gemeinderat ernannt. Außerdem war er 1879 bis 1883 Mitglied der Sektion für Inneres, Bauwesen und Finanzen und soll in dieser Funktion 24 Referate gehalten haben.

Jakob Flucher starb nach langem Leiden im 76.Lebensjahr und wurde am Zentralfriedhof bestattet.
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Stellenwert
Die von Jakob Flucher in den 1850er und 1860er Jahren errichteten Miethäuser zeigen ein relativ homogenes Erscheinungsbild. Da vor allem der große Bedarf an Wohnungen zu decken war, der sich durch einen stetigen Bevölkerungswachstum sowie die Stadterweiterung ergeben hatte, standen die Berücksichtigung einer auf Nützlichkeit und Sparsamkeit ausgerichteten Architektur im Vordergrund. Kennzeichnend für diese Zeit ist auch, dass eine große Zahl an Mietbauten nur adaptiert, zumeist aufgestockt wurde, um möglichst schnell neuen Wohnraum zu schaffen.

Die von Flucher neu errichteten – oder neu fassadierten – Gebäude zeigen insgesamt ein schlichtes, blockhaftes Erscheinungsbild. Die mehrstöckigen Gebäude erhielten glatt verputzte Fassaden und einfache Fassadengliederungen durch additiv gesetzte Fensterachsen, die zumeist nur gerade Fensterüberdachungen erhielten (Wien 4, Elisabethplatz 2 / Karolinengasse 18, 1863). Selten vorhandene Bauplastik beschränkte sich als zarter, feingliedriger Dekor immer auf die Parapetfelder, wie etwa bei dem Miethaus Wien 4, Favoritenstraße 19 (1859).

Gerne wurde auch die Mittelachse der Miethäuser betont, so etwa durch Verdoppelung der Fenster (Wien 8, Zeltgasse 8, 1852). Das Haus Wien 9, Türkenstraße 21 (1861) hat Flucher als Bauherr aufwändiger und repräsentativer gestaltet. Er vollzieht mit diesem Gebäude die Abkehr vom rationalistischen Nützlichkeitsdenken im Wohnbau, wie sie in den folgenden Jahrzehnten zunehmend zu beobachten ist. Es zeigt ebenfalls die Betonung der Mittelachse, in diesem Fall durch Erker in den zwei Hauptgeschossen, und zu einer Dreiergruppe zusammengefasste Fenster in den darüber liegenden zwei Geschossen. Zudem findet sich die für den Sockel obligatorische Nutung auch über die Hauptgeschosszone ausgedehnt und insgesamt eine etwas reichere, vielfältige bauplastische Ausstattung. Allerdings kann man in diesem Fall nicht von einer Entwicklung im Œuvre des Baumeisters sprechen. Denn bei später errichteten Bauten kehrte er durchaus wieder zur schlichten und einfachen Gestaltungsweise zurück.

Jakob Fluchers Werk ist typisch für den Miethausbau der 50er und 60er Jahre des 19.Jahrhunderts. Eine unprätentiöse Gestaltungsweise prägte insbesondere in den ehemaligen Vorstädten Wiens ganze Straßenzüge, und charakterisiert auch heute noch das Erscheinungsbild vieler Seiten- und Nebenstraßen.
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Werke

WOHN-/GESCHÄFTSBAUTEN:
1848Miethaus, Wien 4, Belvederegasse 18 (Aufstockung; 1838 erbaut)
1849Miethaus, Wien 5, Schlußwallgasse 4 (1852 v. Kastan adapt.)
1849Miethaus, Wien 6, Schmalzhofgasse 16
1848Miethaus, Wien 6, Wallgasse 36
1850Miethaus, Wien 6, Kasernengasse 20 (= Otto-Bauer-Gasse)
1851Miethaus, Wien 4, Margaretenstraße 8
1852Miethäuser, Wien 8, Zeltgasse 8 und 10
1852Miethaus, Wien 4, Rechte Wienzeile 21 / Schikanedergasse 14 (Zubau eines Sommersalons)
1853Miethaus, Wien 2, Praterstraße 30 (Adapt. und Erneuerung der Fassade; 1817 von Adam Hildwein erbaut)
1853Miethaus, Wien 8, Bennogasse 26 (Adapt., 1816 erb.; durch Bomben schwer beschädigt)
1854Miethaus, Wien 4, Mommsengasse 5 (nicht erhalten)
1854Miethaus, Wien 4, Kleine Neugasse 25 / Margaretenstraße 51 (Fass. geglättet)
1859Miethaus, Wien 4, Favoritenstraße 19 (Neufassadierung und Aufstockung; erb. von Karl Pranter)
1861Miethaus, Wien 9, Türkenstraße 21
1859–1860Miet- und Geschäftshaus, Wien 4, Theresianumgasse 10 (nach Bombenschäden Fassade geglättet)
1860Miethaus, Wien 4, Viktorgasse 1 / Theresianumgasse 29 (Aufstockung)
1860Miethaus, Wien 4, Schleifmühlgasse 6–8 (mit Architekt J. Smattosch)
1861Miethaus, Wien 4, Karolinengasse 12 / Mommsengasse 11 (Aufstockung; vor 2002 abgebrochen)
1861–1862Palais Hohenlohe, Wien 4, Theresianumgasse 33 (Umgestaltung und Neufassadierung, mit Architekt Karl Tietz)
1863Miethaus, Wien 4, Elisabethplatz 2 / Karolinengasse 18 (Aufstockung und Neufassadierung)
1868Wohnhaus, Wien 5, Margaretenstraße 103 (2005 abgerissen)
1868–1871Miethaus, Wien 4, Favoritenstraße 58 (Neufassadierung; Erbauung 1842)
1873Miethaus, Wien 4, Argentinierstraße 63

INDUSTRIE-/GEWERBEBAUTEN:
o.J.Papierfabrik in Schlöglmühl bei Gloggnitz, NÖ
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Primärquellen

NACHLÄSSE UND ARCHIVE:
Wr.Ringstraßenarchiv; Archiv Baumeisterinnung; WStLA; Archiv Adler; HHSTA
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Sekundärquellen

LITERATUR:
Anonym: Die neu-, wiedergewählten und ausgetretenen Gemeinderäte. A. Die Neugewählten 4.Bezirk. In:Wiener Kommunalblatt Jg.I, 1875, S.172
A. Caravias: Wiener Baukunst 1848–1859. Diss. TH Wien 1944
K. Eggert: Der Wohnbau der Wiener Ringstraße im Historismus 1855–1896. Die Wr. Ringstraße Bd.7
Kunsthistorische Arbeitsgruppe GeVAG: Wiener Fassaden des 19.Jhs [6. Bezirk]. Wien 1976
ÖKT 44: G. Hajos: Die Profanbauten des III., IV. und V. Bezirks. Wien 1980
O. Wittenhofer: Die Fassaden der Wiener Wohnhäuser in der ersten Hälfte des 19.Jhs. Diss.Uni.Wien 1948 (mit Verzeichnis der Bauten im 1.–9.Bez.)
R. Wagner-Rieger: Das Wiener Bürgerhaus des Barock und Klassizismus. Wien 1957

NACHSCHLAGEWERKE:
Dehio Wien/2 (II.–IX.u.XX.Bez.)

LEXIKA:
AKL
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Anmerkungen
Eingegeben von: Inge Scheidl
Eingegeben am: 01.05.2012
Zuletzt geändert: 15.06.2012
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