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Eduard Reithmayer widmete sich ab 1911 umfangreicher und mit zahlreichen Illustrationen ergänzten Untersuchungen zu Vorschlägen zur Rekonstruktion der Burg Aggstein in der Wachau, einer Region, wo viele intakte mittelalterliche Ensembles erhalten geblieben waren. Nach Reithmayers Vorstellung sollten die vorliegenden 16 Plantafeln und ausführlichen Erläuterungen dazu beitragen, Interesse für die Wiederherstellung der Burg, wie sie „im Jahre 1429 bestand“, zu erwecken. Die Kostenschätzung für die Restaurierung betrug 2.000.000 Kronen, was Reithmayers Überlegungen in den Bereich der Utopie verwies.
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Die Burg Aggstein bestand seit Jahrhunderten als Ruine. Ab dem 18.Jh. wurde die Burg sogar als Materialspender genutzt. Erst als 1819 die Grafen Beroldingen Aggstein übernahmen, wurde mit den notwendigsten Sanierungsarbeiten begonnen.
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Um 1900 entschloss sich Reithmayer, die Burg zu erforschen, aufzunehmen und zu versuchen, sie in Wort und Bild nach ihrem wahrscheinlichen ehemaligen Bestand darzustellen. Er beschäftigte sich mit der wichtigsten Burgenliteratur, um sich an seine kühnen Rekonstruktionen wagen zu können. Leider war die von ihm verwendete Literatur von der völlig irrigen Vorstellung geprägt, dass die Burgen des Mittelalters nur gewaltige Kriegsbauten gewesen sein konnten.
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Daraufhin rekonstruierte Reithmayer die zumeist 2- bis 3geschossigen Burgenbauten doppelt bis dreifach so hoch, versah diese mit über 30 „Wurf-, Schuß- und Gußerkern“ und mindestens 200 Schießscharten. Die von ihm erstellten Rekonstruktionen bereicherte er durch zahlreiche romantische Bezeichnungen, wie „Frauenturm“, „Schatzturm“ oder „Dürnitz“.
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Für die fiktiven Räume fertigte Reithmayer sogar Detailgrundrisse, Schnitte und Funktionspläne an. So steht Reithmayer aus heutiger Sicht als Beispiel dafür, wie die Burgenrezeption des 19.Jh.s die Burgen in ihren Dimensionen und Wehrelementen völlig übersteigerte, um sie einem frei erfundenen Mittelalterbild anzupassen. |
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