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Silvio Mohr

Persönliche Daten
Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
Auszeichnungen und Ämter
Mitgliedschaften
Vita
Stellenwert
Werke
Primärquellen
Sekundärquellen
Anmerkungen
Persönliche Daten
* 16.07.1882 - † 18.02.1965
Geschlecht: m
Geburtsort: Wien
Land: Österreich
damaliger Name: Österreich-Ungarn
Sterbeort: Iselsberg/Osttirol
Land: Österreich
Titel: Prof. Dr.
Religionsbekenntnis: Röm. - Kath.
Berufsbezeichnung: Architekt
Familiäres Umfeld: Vater: Moriz M., Kaufmann
Mutter: Olga Capelletti, aus Triest
unverheiratet
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Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
o.J.Realschule Wien 1
1901-1909Technische Hochschule Wien (bei Karl König, Karl Mayreder, 2.Staatsprüfung 1907)
1905-1911Praxis bei Max Ferstel, Max Fabiani, Karl Mayreder, Hans Prutscher, Viktor Siedek
1909Doktorat (Diss. über Santa Fosca auf Torcello)
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Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
seit 1911freiberuflich tätig
1911-1928Assistent an der Lehrkanzel für Hochbau, TH Wien
1914-1918Kriegsdienst
1926Befugnis Zivilarchitekt
1929a.o. Professor für Enzyklopädie des Hochbaues (an der Fakultät für Maschinenbau und Chemie)
1940Erweiterung seiner Lehrtätigkeit
1941-1944Leiter des Luftschutztechn. Seminars
1944Dienstverhältnis an der TH beendet
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Auszeichnungen und Ämter
1912Haber-Linsersches Reisestipendium
1918Hauptmann d. schweren Artillerie, Militärverdienstkreuz m. Kriegsdekoration u. Schwertern, silberne Verdienstmedaille u.a. militär. Auszeichnungen
1961Verleihung d. goldenen Ingenieur- und Doktordiploms
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Mitgliedschaften
1909Österr. Ingenieur- und Architektenverein
1910Wiener Bauhütte (1.Schriftführer im Publikationsausschuss)
1938Rat d.österr. Patentamtes
o.J.Mitglied des Komitees des österr. Heldendenkmals
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Vita
Silvio Mohr wurde 1882 als Sohn des Kaufmannes Moriz M. und der Triestinerin Olga in Wien geboren. Er besuchte hier eine Realschule im 1. Bezirk und studierte anschließend an der Technischen Hochschule Architektur. Als einer von wenigen schloss er sein Studium mit einem Doktorat ab. Schon während der Studienzeit hatte Mohr begonnen, in den Architekturbüros einiger seiner Lehrer und später anderer bekannter Architekten praktisch zu arbeiten. Er entschied sich dann aber dafür, neben seiner freiberuflichen Tätigkeit als Architekt eine Assistentenstelle an der Lehrkanzel für Hochbau an der TH Wien anzunehmen. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, leistete er von Beginn an den Kriegsdienst und rüstete 1918 hochdekoriert als Hauptmann eines Artillerieregiments ab.

Neben seiner Arbeit an der TH, die er wieder aufgenommen hatte, war Silvio Mohr auch in immer stärkerem Ausmaß als Architekt tätig. Immer schon an Gartenstädten interessiert – er hatte über dieses Thema auch publiziert –, hatte sich der Siedlungsbau zu einem Schwerpunkt in seiner baulichen Tätigkeit entwickelt. In einer Bürogemeinschaft mit Ing. Robert Hartinger, Min.Rat im Staatsamt für Verkehrswesen, errichtete er mehrere Siedlungsbauten in Wien und auch in den Bundesländern. Das Büro erhielt Aufträge vor allem von Siedlungsgenossenschaften, der Gemeinde Wien, in den Bundesländern unter anderem von der Tabakregie. Silvio Mohr widmete sich jedoch teils alleine, teils mit Hartinger auch anderen Bauaufgaben, wie Kurhäusern, Wohngebäuden, Villen, Fabrikbauten u.a.m.

1929 erhielt Mohr als a.o. Professor die Lehrkanzel für Hochbau an der Fakultät für Maschinenbau und Chemie der TH Wien. Als Robert Hartinger 1939 starb, führte er das Atelier alleine weiter. Noch im selben Jahr begann der Zweite Weltkrieg, Mohr wurde unabkömmlich gestellt und 1941 mit der Leitung eines Luftschutztechnischen Seminars betraut. Im Jahr 1944 wurde wegen einer ihm nachgesagten homophilen Neigung ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet. Er wurde aller seiner Ämter enthoben und war bis zum Kriegsende inhaftiert. Nach seiner Entlassung zog er, da auch seine Wohnung ausgebombt war, nach Osttirol und lebte in Iselsberg bei Dölsach. Er musste einige Zeit auf seine Rehabilitierung warten. Er arbeitete weiterhin als Architekt und schuf einige Landhäuser und Interieurs. Sein größtes Projekt dürfte das Wallack-Haus am Hochtor des Großglockners gewesen sein. Mohr starb im 73.Lebensjahr in Iselsberg.
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Stellenwert
Die frühen Entwürfe Silvio Mohrs zeigen eine romantische Auffassung der jeweils gestellten Bauaufgabe, denn sowohl beim Schutzhaus am Anninger als auch beim Rathaus Rottenmann war der junge Architekt bestrebt, die Bauten mit der Umgebung in Einklang zu setzen. Er wählte Fachwerk, hölzerne Fensterläden, Dachreiter und Hirschgeweih für das Schutzhaus und setzte beim Rathaus auf bewährte regionale Motive, wie einen abgetreppten Giebel und einen Treppenturm, um es dem Ortsbild anzupassen.

Mohr hatte gemeinsam mit Robert Hartinger einige Siedlungen für christliche Genossenschaften erbaut. Die christlichsozialen Kreise im Wien der Zwischenkriegszeit waren ebenfalls bemüht, den Wohnungsbau zu fördern, forcierten jedoch, auch als Gegengewicht zum Wohnbauprogramm der Gemeinde Wien, vor allem den Bau von Siedlungen. Entsprechend ihrer konservativen Gesinnung sollten diese eher in bodenständiger Bauweise und in traditionellen Formen errichtet werden. Mohr und Hartinger entwickelten dafür eine Formensprache, die ihre Motive und Elemente aus der heimatlichen Bauweise ableitete. Die von ihnen geplante Siedlung Starchant (Wien 16, zwischen Johann Staud-Gasse12-24 und Gallitzinstrasse15-73) erhielt bereits durch eine gekrümmte Wegführung und die unterschiedlichen Hausformen einen dörflicher Charakter, den ein Zentrum mit Kirche, Gasthaus und Einkaufsladen noch unterstrich. Für die Gestaltung der einzelnen Bauten wählten sie vertraute, regionale Bauformen: steile Dächer, rundbogige Eingänge, eine kleinteilige Versprossung der glatt in die Wand geschnittenen Fenster. Romantisierende Details wie Erkeranbauten sollten das dörfliche Bild vervollständigen. Einem romantischen Duktus folgte auch der Kirchenbau, das einfache Saalgebäude mit steilem Dach scheint an einen älteren Turm angebaut. Zur Fassadengestaltung der Hausbauten griffen Mohr und Hartinger aber auch formgebende Elemente der Gemeindebauten auf. So fassten sie bei den Straßenfassaden der Mehrfamilienhäuser die Fenster ebenfalls mit durchlaufenden Gesimsstreifen zu Fensterbändern zusammen und hoben die Hauptzufahrt mit einem Terrakottarelief gestalterisch hervor. Beide waren ja nicht nur mit Siedlungsbauten befasst, sie hatten für die Gemeinde Wien auch eine Wohnhausanlage mit den für diese Bauten typischen expressiven Detailformen erbaut, Erkerbauten aus Klinkerstein und Sprossenfenstern verleihen dieser einen besonderen Akzent (Wien 10, Altdorferstraße 2).

Die Anpassung an die regionale Bauweise, die das Gefühl der vertrauten Umgebung vermitteln sollte, blieb auch für die Siedlungsbauten bestimmend, die sie in den Bundesländern errichteten. Bei den späteren, in den 30er Jahren errichteten Anlagen wurde die Bauweise strenger, sachlicher und einheitlicher, die Hausform reduzierte sich auf einen kubischen Baukörper, beibehalten wurden jedoch die steilen Dächer und die eng versprossten Fenster.

Mohrs Schaffen umfasst jedoch nicht nur Siedlungen und Wohnhausanlagen für die Gemeinde Wien. Gemeinsam mit seinem Studienkollegen Ferdinand Fuchsik schuf er einen der bemerkenswertesten Fabriksbauten der Zwischenkriegszeit: die Kristall-Eisfabrik (Wien 20, Pasettistrasse 71-75), einen Sichtziegelbau, der schon mit seiner formalen Gestaltung auf den speziellen Verwendungszweck der Anlage hinweist, wenn etwa das Zick-Zack-Band der Attika Assoziationen zu Eiskristallen weckt. Bemerkenswert ist aber vor allem die plastische Ausbildung der Fensterstürze, die gleichsam als kristallartige Gebilde formuliert wurden und so ein markantes Motiv der Eisfabrikation symbolisieren. Der Bau wird von einer betont kubistischen Komponente geprägt, die aber in Mohrs Schaffen nicht einmalig war. Ein ungefähr zu selben Zeit entstandener, kioskartiger Anbau (Wien 8, Laudongasse 16 / Lange Gasse) weist mit einer raschen Abfolge von Dreieckgiebeln, den Flächen von schräggestellten Gesimsen und Fensterumrahmungen, sowie Prismenformen eine ganz ähnliche, kubistisch beeinflusste Formensprache auf.

Da Silvio Mohr viel mit Partnern zusammengearbeitet hatte, erscheint die Abgrenzung seines Anteils an der künstlerischen Gestaltung schwierig. Es ist jedoch eine künstlerische Positionierung von Ferdinand Fuchsik und Robert Hartinger mangels Vergleichsbeispielen kaum zu bestimmen. Silvio Mohr musste bei seinen Entwürfen wohl auf die Vorstellungen seiner Auftraggeber eingehen, so sind es eher die weniger im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden Werke, welche die Bandbreite seines Könnens offenbaren. Sie zeigen, dass er gegenüber allen, auch den avantgardistischen, Strömungen offen und bereit war, sie – wenn sich die Möglichkeit bot – umzusetzen. Über seine nach 1945 entstandenen Arbeiten ist kaum etwas bekannt, aber das Wallack-Haus ist ein der Hochgebirgslage entsprechend kompaktes, schlichtes, dennoch eindrucksvolles Gebäude, fern jeder älplerischen Anbiederung.
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Werke

WOHN-/GESCHÄFTSBAUTEN:
1921Siedlung „Gartenheim“, Wien 22, Gartenheimstraße / Ambergergasse / Gernotgasse / Hessegasse / Waldheimstraße / Deindorfstraße / Greinzgasse / Podlahagasse / Adam Betz-Gasse / Schoeppelgasse / Theuergasse (mit Robert Hartinger und Karl Krist, wenig erhalten)
1922-1938Siedlung Starchant, Wien 16, Johann Staud-Strasse 12-24 / Gallitzinstraße 15-73 / Theodor Storm-Weg / Franz Eichert-Weg / Pönningerweg / Mörikeweg / Vilicusweg / Kestnerweg (mit Robert Hartinger, viele Umbauten)
1925Anbau für Christl. Gewerkschaftshaus, Wien 8, Laudongasse 16 / Lange Gasse
1926Verwaltunsgebäude der Tabakregie, Schwaz, Tirol
1926-1929Siedlung ¡Dorrek-Ring“ f.d. österr. Tabakregie, Schwaz, Dr. Karl Dorrek-Straße 25-29, 33-35, Tirol (mit Robert Hartinger)
1928Wohnbauten in Gmünd, NÖ
1932-1933WHA d. Gem.Wien „Zur Spinnerin am Kreuz“, Wien 10, Triesterstraße 85 / Raxstraße 111 / Altdorferstraße 2 (mit Robert Hartinger)
1932-1935Siedlung d. Gem.Wien „Am Wienerberg“, Wien 10, Weitmosergasse 1-59 / Altdorferstraße 9 / Sickingengasse 22-28 und 25-31 (mit Robert Hartinger)
1932-1935Wohn- u.Geschäftshaus, Klagenfurt, St. Veiter Straße 15, Ktn.
nach 1945diverse Landhäuser und Interieurs (Defregger-, Iselsberger Hof) in Osttirol
o.J.Siedlungsbauten in Amstetten, Hainburg u. Tulln, NÖ; Grieskirchen, Lambach OÖ; Fürstenfeld, Stmk; Wattens, Tirol; Villenbauten in Mödling u. Nadelburg, NÖ u.a.

ÖFFENTLICHE BAUTEN:
1924Kurheim St.Sebastian, Bad Schallerbach, Welser Straße 12-14, OÖ (mit Robert Hartinger)
1928-1929Pfarrkirche Starchant „Hl.Theresia“, Wien 16, Pönningerweg (mit Robert Hartinger)
1938-1939Oberschule am Krautberg, Amstetten, Elsa Brandström-Straße 5, NÖ
o.J.Kirche in Werschetz /V rsac, Serbien
o.J.Lungenheilanstalt d. Krankenkasse d. österr. Bundesbahnen, Judendorf-Straßengel, Stmk. (mit Robert Hartinger)
o.J.Badeanlage Klosterneuburg
1951Wallackhaus am Hochtor – Großglockner, Heiligenblut, Ktn.

INDUSTRIE-/GEWERBEBAUTEN:
1925-1926Kristall-Eisfabrik, Wien 20, Pasettistraße 71-75 / Donaueschingenstraße 16-18 / Ospelgasse 2-6 (mit Ferdinand Fuchsik)

NICHT REALISIERTE PROJEKTE:
1911Schutzhaus am Anninger, Mödling, NÖ (Wettbewerb)
1912Rathaus Rottenmann, Stmk. (Wettbewerb)
o.J.Verbauungsplan Ried, OÖ (Wettbewerb, 2.Preis)
o.J.Restauration Fengfeld, Aspern
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Primärquellen

PUBLIKATIONEN:
S. Mohr: Die baugeschichtl. Entwicklung d. Gartenhauses i. allgem. u. d. Alt-Wiener Gartenhauses i. besonderen. In: Wochenschrift d. öff. Baudienstes 18.1912, S.786ff
S. Mohr: Ein Beitrag zur Wohnungsfrage. In: Österr. Wochenschr. d. öffentl. Baudienstes 20.1914, S.153f
S. Mohr: Über einige neuere Gartenstädte. In: ZÖIAV 66.1914, S.281ff
S. Mohr: Siedlung „Starchant“. In: Österr. Kunst 4.1933, H.4, S.23f
S. Mohr: Der Hochbau, eine Enzyklopädie der Baustoffe u.der Baukonstruktion. Wien 1936

NACHLÄSSE UND ARCHIVE:
WStLA; TUWA; ÖIAV;
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Sekundärquellen

LITERATUR:
H. und R. Hautmann: Die Gemeindebauten des Roten Wien 1919–1934. Wien 1980
A. Lechner: Geschichte der Technischen Hochschule (1815–1940). Wien 1942
A. Schiemer: Auf Ottakrings Spuren. Wien 1999
M. Wehdorn / U. Georgeacopol-Winischhofer: Baudenkmäler der Technik und Industrie in Österreich. Bd.1. Wien u.a. 1984
H. Weihsmann: Bauen unterm Hakenkreuz. Wien 1998
H. Weihsmann: Das Rote Wien. Wien 2002 (1985)

HINWEISE AUF WERKE:
Der Bautechniker
31.1911, S.599f, T.26 (Schutzhaus a. Anninger)
32.1912, S.635, T.26 (Entwurf Rathaus i. Rottenmann)

Österreichische Kunst
4.1933, S. 23f (Siedlung Starchant, Wien 16, Johann Staud-Gasse)

NACHSCHLAGEWERKE:
Achl. I; Achl. II; Achl. III/1; Achl. III/2
Dehio Wien/2 (II.–IX.u.XX.Bez.); Dehio Wien/3 (X.–XIX.u.XXI.–XXIII.Bez.);
P. Emödi: Wer ist Wer. Lexikon österreichischer Zeitgenossen. Wien 1937
Kürschners Dt. Gelehrtenkalender 4.Jg. 1931
S. Waetzoldt: Bibliographie zur Architektur im 19.Jh. Nendeln 1977

LEXIKA:
Czeike; Weihsmann 05
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Anmerkungen
Weihsmann 05 irrt in der Behauptung, dass S. Mohr nach 1945 wieder an die TH zurückkehrte
Eingegeben von: Jutta Brandstetter
Eingegeben am: 01.10.2006
Zuletzt geändert: 16.02.2007
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