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Im Jahr 1894 erwarb die Fa. Münchmeyer, Inhaber einer Galvanisierfabrik (den späteren „Argentor Werken“), ein schmales, lang gestrecktes Grundstück zwischen Kaiserstraße und Wimbergergasse im 7.Bezirk. Die Firma ließ in der Kaiserstraße 83 zunächst von der Fa. Stagl & Brodhag ein Wohn- und Verwaltungsgebäude und gleichzeitig einen sechsgeschossigen Hofquertrakt errichten, der in der damals für Fabriksanlagen üblichen Sichtziegelbauweise ausgeführt wurde.
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Als heute interessantestes Objekt wurde im Jahr 1902 an den Hoftrakt in Richtung Wimbergergasse 24 eine neue Fabrik angebaut. Der Zubau wurde im Jahr 1901 von Carl Brodhag als symmetrischer, sechsgeschossiger Ständerbau geplant. Große, kleinteilig versprosste Fenster, bei denen die Parapete zu schmalen, gesimsartigen Bändern reduziert sind, füllen die Flächen zwischen den Pfeilern fast zur Gänze. Die Pfeiler sind mit weiß glasierten Ziegeln verkleidet und die Restflächen der Mauern weiß verfließt, wohingegen die schmalen Parapete sowie die Attikamauer aus rotem Klinker bestehen. Eine kapitelartige Ausformulierung der Pfeilerenden in der Attikazone zeigt die ungebrochene Affinität zur Antike selbst im Industriebau zu Beginn des 20.Jahrhunderts.
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Da Brodhag im gleichen Jahr, bzw. noch bevor seine Pläne zur Ausführung gelangten, verstarb, übernahm sein Mitarbeiter Ludwig Dillmann die Weiterführung des Projekts. Gegenüber Brodhag, der die Ausführung des Gebäudes als Eisen-Monier-Konstruktion vorgesehen hatte, wurde von Dillmann insofern eine Umplanung vorgenommen, als die Errichtung der Fabrik nunmehr als Stahlbetonkonstruktion im sog. System Hennebique erfolgte. Diese neue Konstruktionsweise, die sich vor allem auf die Ausführung der Geschoßdecken und Unterzüge auswirkte, erlaubte eine besondere Ausbildung der Deckenlager, wodurch bei den Fenstern der Lichteinfallwinkel in den Innenräumen vergrößert werden konnte.
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Ausgewogene Proportionen im Zusammenhang mit den verschiedenen Materialien verliehen der Fabrik insgesamt ein ästhetisches, repräsentatives Erscheinungsbild. Durch die von Dillmann vorgesehene neue Konstruktionsweise entstand darüber hinaus einer der ersten Stahlbetonbauten Wiens.
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Bei dem Wohn- und Geschäftshaus in Wien 6, Mariahilfer Straße 115 (1899) präsentiert sich Brodhag demgegenüber als Vertreter des Späthistorismus. Die Fassade ist plastisch mit Erkerausbildungen durchgebildet und mit barock-sezessionistischem Dekor versehen. Auch bei diesem Gebäude zeigt sich Brodhags Talent für ausgewogene Proportionen, denn wie im Falle der Galvanisierfabrik ist auch hier ein ästhetisch ansprechendes, repräsentatives Gebäude entstanden. |
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