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Jacques Groag

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Persönliche Daten
Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
Auszeichnungen und Ämter
Mitgliedschaften
Vita
Stellenwert
Werke
Primärquellen
Sekundärquellen
Ausstellungen
Persönliche Mitteilungen
Anmerkungen
Persönliche Daten
* 05.02.1892 - † 28.01.1962
Geschlecht: m
Geburtsort: Olomouc
damaliger Name: Olmütz, Mähren
Land: Tschechien
damaliger Name: Österreich-Ungarn
Sterbeort: London
Land: Großbritannien
Titel: Dipl. Ing.
Religionsbekenntnis: Mosaisch
Berufsbezeichnung: Architekt und Designer
Familiäres Umfeld: Vater: Leopold G., Kaufmann
Mutter: Regine G.
Geschwister: Emanuel G. (Fabrikant), Schwester: Trude, verh. Jalowetz
Ehe (1937) mit Hilde Pick, verw. Blumberger (1903-1986), Designerin
kinderlos
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Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
1909Abschluss Gymnasium Olmütz
1909-1914Technische Hochschule Wien (Bauingenieur) und Bauschule bei Adolf Loos
1914-1918Kriegsdienst (Artillerieoffizier)
1919Abschluss des Studiums an der Technischen Hochschule Wien (2.Staatsprüfung)
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Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
1919-1920Ingenieur bei den Elektrizitätswerken Müglitz, Mähren / Moholice, CZ
ca. 1921-1926Praktikant im Baubüro von Dr. Fritz Keller, Wien
1926-1938freier Architekt in Wien
1938-1939Architekt in Prag
1940-1962Innenarchitekt und Designer in London
ca.1940-1952Mitarbeiter am „Unitility Furniture“ Team, London
1947Britische Staatsbürgerschaft
ca. 1955-1960Lehrtätigkeit an der Hammersmith School for Arts and Crafts, London
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Auszeichnungen und Ämter
1917Silberne Tapferkeitsmedaille
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Mitgliedschaften
ab 1927Österreichischer Werkbund
1947-1962Society for Industrial Artists
o.J.Royal Society for British Architects
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Vita
Jacques Groag wurde als der jüngste Sohn einer assimilierten jüdischen Kaufmannsfamilie in Mähren geboren und wuchs in gut situierten Verhältnissen auf. Nach seinem Schulabschluss ging er 1910 nach Wien, um sich an der Technischen Hochschule als Bautechniker ausbilden zu lassen, wobei er sich insbesondere mit der neuen Technologie des Betonbaus beschäftigte. Daneben besuchte er die Bauschule von Adolf Loos, dessen Werk und Theorien ihn stark beeinflussten. Während des gesamten Ersten Weltkriegs war Groag als Artillerieoffizier eingerückt und wurde schwer verwundet. Erst nach dem Krieg konnte er sein Studium abschließen.

Nach einem kurzen Intermezzo in Nordmähren kehrte Groag Anfang der 20er Jahre wieder nach Wien zurück und absolvierte verschiedene Praktika, zuletzt bei Fritz Keller, um sich schließlich selbständig zu machen. Nach den ersten Projekten, bei denen er nur als Bauführer fungierte (insbesondere beim Wittgenstein-Haus in der Kundmanngasse), konnte er bald seine ersten eigenen Entwürfe realisieren. Schwerpunkt seiner Tätigkeit waren Einfamilienhäuser und Wohnungseinrichtungen, wobei er viele Aufträge auch in seinem heimatlichen Mähren ausführte. Anfang der 30er Jahre wurde er von Josef Frank zur Teilnahme am Projekt der Wiener Werkbundsiedlung eingeladen, für das er zwei Häuser entwarf, die er auch komplett möblierte. Die Werkbund-Häuser Groags zählten aufgrund ihrer geglückten Konzeption damals zu den wenigen, die Käufer fanden. Ende der 30er Jahre war Groag ein etablierter und sehr erfolgreicher Architekt, der insbesondere auch für die Wiener Schauspielerprominenz diverse Aufträge durchführte. In dieser Zeit heiratete er Hilde Blumberger, eine Schülerin von Josef Hoffmann und begabte Textildesignerin, die auch für die Wiener Werkstätte arbeitete. Die Ehe blieb kinderlos.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland musste Groag als Jude nach Prag emigrieren, wo ihm seine familiären und beruflichen Kontakte hilfreich waren und er kurzfristig noch als Architekt arbeiten konnte. Nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch das NS-Regime floh er mit seiner Frau nach England, wo er sich – nach anfänglichen Schwierigkeiten – eine Existenz als Möbeldesigner und Innenarchitekt aufbauen konnte. Daneben unterrichtete er auch an diversen Fachschulen Möbeldesign. Groag ist im siebzigsten Lebensjahr auf dem Weg zur Oper in einem Londoner Bus unerwartet an einem Herzversagen gestorben.
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Stellenwert
Jacques Groag gehört zu den bedeutendsten Schülern von Adolf Loos. Insbesondere durch seine Mitarbeit am Haus Wittgenstein (Wien 3, Kundmanngasse 19) und an der von Adolf Loos konzipierten Villa Moller (Wien 18, Starkfriedgasse 19) hat er Anteil an den bedeutendsten Bauten der Zwischenkriegszeit in Wien.

Auch Groags eigenständiges Werk ist in der Frühzeit sehr stark von der Ästhetik und Theorien Adolf Loos’ beeinflusst. Das markanteste Beispiel ist das Ende der 20er Jahre in Olmütz / Olomouc, errichtete Familienhaus Groag (Mozartova 36), dessen kubisch geschlossener Baukörper von einem rigiden Purismus geprägt ist. Eine eigenständigere Handschrift, die diese Strenge etwas milderte und zu einer größeren Luzidität und Transparenz führt, zeigen die Anfang der 30er Jahre errichteten Bauten Groags, wie das Doppelhaus in der Wiener Werkbundsiedlung und das Einfamilienhaus Stern in Perchtoldsdorf. Im Sinne von Adolf Loos zeichneten sich die Häuser durch eine große Raumökonomie aus, die durch den Einsatz unterschiedlicher Raumhöhen erzielt wurde. In seiner reifen Phase strebte Groag einen gesamtheitlichen Anspruch an, eine Einheit von Architektur und Garten zu erzielen. Den Höhepunkt dieser Entwicklung stellt das Landhaus Eisler in den Beskiden dar, wo die intendierte Verschmelzung von Haus und Landschaft durch den Einsatz von organisch strukturierten Elementen unterstrichen wurde.

Darüber hinaus war Groag auch ein bedeutender Protagonist der Wiener Wohnkultur der Zwischenkriegszeit. Als Innenarchitekt und Möbeldesigner gehörte er mit Walter Sobotka und Felix Augenfeld der Gruppe der jüngeren Wiener Architektengeneration an, die sich in der Nachfolge von Josef Frank und Oskar Strnad etabliert hatte und der Wiener Innenraumkultur mit ihrer elegant gemäßigten Modernität zu internationalem Ansehen verhalf. Eine besondere Spezialität Groags war sein Erfindungsreichtum – der Not der Zeit gehorchend – möglichst raumsparende und oft auch multifunktionale Möbel zu entwerfen.

Diese Linie hat Groag als Möbeldesigner in seiner Londoner Emigrationszeit fortgesetzt, wobei er in den 50er Jahren auch Tendenzen des skandinavischen Designs übernahm.
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Werke

WOHN-/GESCHÄFTSBAUTEN:
1926-1929Palais Stonborough (Haus Wittgenstein), Wien 3, Kundmanngasse 19 (Bauführung, Entwurf Paul Engelmann u. Ludwig Wittgenstein)
1927Villa Moller, Wien 18, Starkfriedgasse 19 (Bauführung, Entwurf Adolf Loos)
1927Villa Groag, Olmütz / Olomouc, CZ, Mozartova 36
1928Tennisclubhaus Heller, Wien 13, Reichgasse (Bauführung, Entwurf Franz Singer / Friedl Dicker, nicht erhalten)
1929Haus Bermann, Olmütz / Olomouc, CZ, Videnska 18
ca. 1930Landhaus Liane Haid (Umbau u. Einrichtung), Neuwaldegg, NÖ
1931Wochenendhaus Pollak, Belkovicer Tal bei Olmütz / Olomouc, CZ
1932Doppelhaus Werkbundsiedlung, Wien 13, Woinovichgasse 5-7
1933Haus Paula und Hans Briess, Olmütz / Olomouc, CZ, Na Vozovce 12
1933Haus Dr. Gustav Stern, Perchtoldsdorf, NÖ, Franz Josef-Straße 28
1935Haus Seidler, Olmütz / Olomouc, CZ, Vaclavska 2
1935Villa Paula Wessely (Umbau und Einrichtung), Wien 19, Himmelstraße 24
1935-1936Landhaus Dr. Eisler, Ostravice 465, CZ
1936Haus Franz Briess, Olmütz / Olomouc, CZ, Wellnerova 21
1937Haus Spitzer, Skoczow, PL
1937-1938Arbeiterwohnungen einer Chemiefabrik, Mährisch-Ostrau / Ostrava, CZ
1938Einfamilienhaus Sibor, Prag, CZ, Na Hrebenkach 41
ca. 1955Uhrengeschäft Colibiri, London, GB
ca. 1955Sommerbungalow bei Hendon, GB

INDUSTRIE-/GEWERBEBAUTEN:
1923Malzfabrik Groag (Adaptierungen), Olmütz / Olomouc, CZ
1935Malzfabrik, Tynecek bei Olmütz / Olomouc, CZ
1937Tankstelle mit Teststation Brünn / Brno, CZ

INNENRAUMGESTALTUNG/DESIGN:
1926-1938zahlreiche Wohnungseinrichtungen in Wien und Olmütz / Olomouc, CZ
1930Werkbundausstellung Wien (diverse Möbel)
1940-1962diverse Wohnungseinrichtungen in London und Umgebung, GB
1946Ausstellung „Modern Homes“, London, GB
1946Ausstellung „Britain can make it“ (Sektion Möbel u. Textilien), London, GB
1950British International Fair (BIF), zahlreiche Möbel, GB
1951Festival of Britain, London, Festivalkiosk und Sektion Möbel, GB
1960Wohnungsausstellung London, GB

NICHT REALISIERTE PROJEKTE:
1925Theater in Olmütz / Olomouc, CZ (Wettbewerb, 3.Preis)
1929Sportanlage Troppau / Opava, CZ (Wettbewerb, 3.Preis)
1928/29Stadion, Wien (mit Walter Sobotka)
ca. 1938Fabriksgebäude (?), Mährisch-Ostrau / Ostrava, CZ
1945Wiederaufbau des Viertels rund um die Kirchenruine von St.Anne, London-Soho, GB
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Primärquellen

PUBLIKATIONEN:
J. Groag (Hg. Dean of St. Paul’s): A building plan. In: Bombed Churches as War Memorials, Surrey 1945
J. Groag / G. Russel: The story of furniture. Ipswich, o.J.

NACHLÄSSE UND ARCHIVE:
TUWA; V & A Museum (Archive for Architecture) London; Muzeum Olomouc (Bauarchiv)
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Sekundärquellen

LITERATUR:
F. Augenfeld: Modern Austria, Personalities and Style. In: Architectural Review 1938, vol.88, S. 165ff
Ch. Benton: Jacques Groag 1892-1962. In: A different world, London 1995, S.160
M. Eisler: Die Werkbundsiedlung Wien. In: Moderne Bauformen 32.1932, S.435ff
M. Eisler: Ein Landhaus am Rande der Beskiden, ein Neubau und ein Umbau. In: Innendekoration 48.1937, S.12ff (Landhaus Eisler) / S.47ff (Villa Seidl u. Villa Wessely)
M. Eisler: Das Wiener Möbel von heute. In: Moderne Bauformen 34.1935, S.314ff
M. Ermers: Die Werkbundsiedlung Wien Lainz. In: Bauwelt 23.1932, H.24, Beil, S.1ff
J. Frank: Zur Entstehung der Werkbundsiedlung. In: Bau- u. Werkkunst 8.1931/32, S.169ff
J. Frank: Die internationale Werkbundsiedlung. Wien 1932
K. M. Grimme: Die Werkbundsiedlung Wien. In: Die Kunst 66.1932, S.268ff
Dr. E. Hoffmann: Eine neue Wohnung von Jacques Groag. In: Österr. Kunst 5.1934, H.11, S.12f
G. Koller / G. Withalm: Die Vertreibung des Geistigen aus Österreich. Wien 1985
F. Lampl: Neue Wohnräume von Jaques Groag. In: Innendekoration 1933, S.326ff
Z. Lukes: Begleichung der Schuld (Ausst. Kat.). Praha 2003
P. Maguire / J. Woodham: Design and Cultural Politics in Post-war Britain. London 1997
I. Meder: Offene Welten, Die Wiener Schule im Einfamilienhausbau 1910-1938. Diss. Stuttgart 2003
N. Pevsner: Obituary Jacques Groag. In: Architectural Review, 1962, p.380
P. Plaisier: De leerlingen van Adolf Loos. Delft 1987, S.54ff
G.A. Platz: Wohnräume der Gegenwart. Berlin 1933
U. Prokop: Jacques und Jacqueline Groag, zwei vergessene Künstler der Wiener Moderne. Wien 2005
P. Reilly: Obituary Jacques Groag. In: Design 1962, No.160., p.81
V. Slapeta: Paul Engelmann u. Jacques Groag, Die Olmützer Schüler von A. Loos. In: Bauwelt 69.1978, Nr. 40. S.1494ff
P. Spark: Did Britain make it. London 1986
H.A. Vetter: Kleine Einfamilienhäuser. Wien 1932
P. Zatloukal: Dve malo zname stavby Jacquese Groaga v Olomouci. In: Vlastivedni vestnik moravsky 28.1986, Nr.2, S.192
P. Zatloukal: Architektur in Mähren in der Zwischenkriegszeit. In: Paul Engelmann und das mitteleuropäische Erbe (Hrsg. J. Bakacsy). Wien 1999

HINWEISE AUF WERKE:
Architectural Review
1944, vol.95, p.9ff (Haus in den Beskiden, Arbeiterhäuser in Mährisch-Ostrau) / p.37ff (Tankstelle Brünn)

Deutsche Kunst und Dekoration
1932, S.314ff (diverse Wohnungseinrichtungen)

Die Form
1932, S.214ff (Haus in der Werkbundsiedlung)

Innendekoration
43.1932, S.273ff (Häuser der Werkbundsiedlung)
44.1933, S.326 (Landhaus Liane Haid u. weitere Inneneinrichtungen)
46.1935, S.150ff (diverse Inneneinrichtungen)
48.1937, S.38f (diverse Einrichtungen)

Moderne Bauformen
33.1934, S.318ff (Wochendhaus Pollak) / S.321ff (Haus Stern, Perchtoldsdorf)

Österreichische Kunst
4.1933, H.8, S.22ff (diverse Einrichtungen)

profil
1.1933, H.12, Titelseite u. S.388 (diverse Einrichtungen)

NACHSCHLAGEWERKE:
Achl. III/2; Dehio 3
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Ausstellungen
1995A different World, Emigre architects in Britain 1928-1958, London, GB
2003Begleichung der Schuld, Praha, CZ
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Persönliche Mitteilungen
Jan Groag +/New York u. Dr.Willi Groag +/Israel
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Anmerkungen
Todesort und Datum werden zumeist fälschlich mit „Wien 1961“ angegeben
Eingegeben von: Ursula Prokop
Eingegeben am: 01.11.2005
Zuletzt geändert: 16.02.2007
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