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Persönliche Daten
Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
Auszeichnungen und Ämter
Mitgliedschaften
Vita
Stellenwert
Werke
Primärquellen
Sekundärquellen
Anmerkungen
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Persönliche Daten
| * 27.08.1894 - † 11.07.1970 | Geschlecht: m | Geburtsort: Bruyères, Vogesen | Land: Frankreich | Sterbeort: Sceaux b. Paris | Land: Frankreich | Religionsbekenntnis: unbekannt | Berufsbezeichnung: Architekt | Familiäres Umfeld: Vater: Lucien Lurçat, Postbeamter
| Mutter: Charlotte L’Hote
| Bruder: Jean (*1892), Maler
| Ehe (1922) mit Renee Michel (*1901 in Haiphong)
| Kinder: François (*1927), Catherine-Anne (*1932) |
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Ausbildung, Studienreisen, internationale Aufenthalte
| 1911 | Ecole municipale des Beaux-Arts, Nancy, F
| 1912 | Tätigkeit im Atelier Edmond Paulin in Paris
| 1913 | Studium der Architektur an der Ecole nationale superieure des Beaux-Arts, Paris
| 1914-1919 | Kriegsdienst
| 1919-1923 | Fortsetzung des Studiums
| 1923 | Diplom
| 1926 | Einladung zur Eröffnung des Bauhauses |
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Beruflicher Werdegang, Lehrtätigkeit
| 1923 | Mitarbeit im Büro von Robert Mallet-Stevens und Henri Pacon
| 1929 | Publikation von „Architecture. Projects et Realisations“
| ab 1929 | Zusammenarbeit mit Möbelfabrik Thonet
| 1933 | Einladung nach Moskau zur Mitarbeit am 2.Fünfjahres-Plan
| 1934-1937 | Arbeitsaufenthalt in Moskau (Chefarchitekt für Bauten der medizin. Erziehung, Professor am Institut für Architektur und Konstruktion in Moskau)
| 1939 | provisorische Professur an der Ecole Nationale Superieure des Arts Decoratifs in Paris
| 1940 | Reorganisation der Tapisserie-Ateliers in Aubusson, F (mit Bruder Jean)
| ab 1945 | Chefarchitekt für den Wiederaufbau – Stadtplanungen und Wohnbauprogramme für Maubeuge und St.Denis, städtebauliche Leitung des Wiederaufbaues der Zone des Departement du Nord, F |
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Auszeichnungen und Ämter
| 1925 | Jurymitglied der Internat. Kunstgewerbeausstellung Paris, F |
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Mitgliedschaften
| 1926 | korrespondierenes Mitglied des Bundes junger Architekten Österreichs
| 1928 | Gründungsmitglied der CIAM in La Sarraz, CH
| 1942 | Mitglied der kommunistischen Partei
| o.J. | Mitglied des Salon d’Automne
| o.J. | Mitglied der Academie d’architecture
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Mitglied in verschiedenen nationalen und internationalen Kommissionen und Komitees für Architektur und Städtebau
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Vita
| Die Familie André Lurçats stammte aus den Vogesen. Dort war der Vater Postbeamter in Bruyères, wo André und sein älterer Bruder Jean auch geboren wurden. Um 1900 zogen sie nach Epinal, später nach Nancy um, wo die Kinder die Schule besuchten. Im Juli 1912 verließ André die Ecole municipale des Beaux Arts in Nancy und ging gemeinsam mit seinem Bruder nach Paris. Dort trat er in das Atelier Edmond Paulin ein, um sich auf die Aufnahme in die Architekturklasse der Ecole superieure des Beaux Arts vorzubereiten, sein Bruder widmete sich der Malerei. Ein Jahr später wurde André an der Ecole superieure zugelassen, doch bereits im Jahr darauf zum Kriegsdienst eingezogen. Er war bis Kriegsende eingesetzt und erst im Oktober 1919 konnte er seine Studien fortsetzen. Noch vor seinem Abschluss heiratete er die Tochter eines Kolonialbeamten.
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| Im Herbst 1923 erhielt er sein Diplom und begann im Büro von Robert Mallet-Stevens und Henri Pacon mitzuarbeiten und stellte bereits im selben Jahr im Salon d’Automne in Paris aus. Er suchte Kontakt zu Protagonisten der Avantgarde, wie Le Corbusier und der de Stijl-Gruppe, aber ebenso zu Architekten in Deutschland, und gehörte zum Kreis um Adolf Loos während dessen Pariser Aufenthalt. Die ersten Bauten, in denen er seine architektonischen Ideen verwirklichen konnte – einige Einfamilienhäuser und Ateliers – entstanden in der Cité Seurat in Paris und in Versailles. 1926 erhielt er nicht nur eine Einladung zur Eröffnung des Bauhauses, sondern auf Wunsch führender Vertreter der Moderne in Österreich auch eine zur Ausstellung „Französische Kunst der Gegenwart“ im Künstlerhaus in Wien. Ab diesem Zeitpunkt war er korrespondierendes Mitglied des „Bundes junger Architekten Österreichs“ und unterhielt regelmäßigen Kontakt mit Josef Frank. Auf der 2.Ausstellung des „Comité Nancy-Paris“ präsentierte er als Betreuer der Section d’architecture nicht nur Werke der de Stijl-Gruppe, sondern auch solche von Österreichern, die später an der Wiener Werkbundsiedlung mitarbeiten sollten. Mit dieser 2.Ausstellung, die die neuesten Entwicklungen in der europäischen Architektur zum Thema hatte, etablierte sich Lurçat in der europäischen Architektur-Avantgarde. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der zwei Jahre später ins Leben gerufenen „Internationalen Kongresse für Neues Bauen – CIAM (Congrès internationaux d’architecture moderne)“, deren Ziel es war, Grundsätze für funktionelles und ökonomisches Bauen zu erarbeiten und festzulegen. Lurçat publizierte seine Doktrin über moderne Architektur wenig später in dem Werk „Architecture“.
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| 1929 erhielt er die Einladung, an der Wiener Werkbundsiedlung mitzuarbeiten, und war im Juli 1932 auch zur Eröffnung in Wien. Lurçat knüpfte Kontakte zur Firma Thonet, mit deren Stahlrohr- und Glasmöbeln er seine Villen und Häuser möblierte. Die von ihm geplante und realisierte Karl Marx-Schule in Villejuif, „wo das Kind König ist“, stattete er ebenfalls mit Thonet-Produkten aus.
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| Lurçat, der Anfang der 30er Jahre mit einigen beinahe utopische Wohn- und Stadtbauprojekten (Flughafen auf der Seine, vertikale Stadt) befasst war, reiste 1933 mit einer Gruppe internationaler Architekten für sechs Wochen in die UdSSR, um am 2. Fünfjahres-Plan Stalins mitzuarbeiten. Das Angebot eines Lehrstuhls am Institut für Architektur und Konstruktion in Moskau veranlasste ihn, dort zu bleiben. Es wurden einige seiner Projekte verwirklicht, nach vier Jahren kehrte er jedoch nach Frankreich zurück.
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| Anfangs war es für ihn relativ schwierig, wieder Fuß zu fassen, da die alten Kontakte abgebrochen waren. Kurz nach Kriegsausbruch erhielt er eine provisorische Anstellung an der Ecole des arts decoratifs in Paris, die Schule übersiedelte jedoch bald nach Bordeaux. Lurçat entschloss sich, zu seinem Bruder nach Aubusson zu ziehen. Jean war ein bekannter Maler und vor allem Entwerfer von Bildteppichen, gemeinsam hatten sie vor, die Tapisserie-Ateliers zu reorganisieren. Im September 1942 wurde André Lurçat Mitglied der kommunistischen Partei. Mit Gleichgesinnten gründete er den „Front national des architects“ und engagierte sich im Widerstand. Ein halbes Jahr später erfolgte seine Verhaftung und Internierung. Er wurde als kommunistischer Agent angeklagt, kam nach einem Jahr jedoch frei.
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| Nach Kriegsende leitete er dann den Wiederaufbau des Departement Nord, von St.Denis und Maubeuge. André Lurçat, der auch ein wichtiger Exponent im Städtebau war, war später mit Stadtplanungen, dem Aufbau von Wohnvierteln und ihren sozialen Einrichtungen in verschiedenen französischen Städten beschäftigt. Er starb im 76. Lebensjahr in Sceaux, in der Nähe von Paris. |
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Stellenwert
| André Lurcats Bedeutung für Wien liegt in seiner Teilnahme an der Wiener Werkbundsiedlung. Seit der Stuttgarter Weißenhof-Siedlung waren modellhafte Siedlungsanlagen, die als Bauaustellungen der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, verbreitet. Sie waren “Manifeste einer Bauaufassung, die in der Verschmelzung von sozialen und technisch-rationalen mit künstlerischen und kulturpolitischen Programmen eine Antwort auf die akuten Wohnungsprobleme der Epoche suchten” (Die Wr. Werkbundsiedlung). Das Konzept der Wiener Mustersiedlung, das auch als Alternative zum damaligen Wohnbauprogramm der Gemeinde Wien verstanden werden sollte, wollte die Vorteile einer modernen Gartenstadt mit einfachen und preiswerten Kleinhäusern vorstellen. Es war kein spezifisches Formsystem vorgegeben, es sollte vielmehr die Vielfalt räumlicher und funktioneller Lösungen vorgestellt werden, um “mit einem Minimum an Raumaufwand ein Optimum an Räumlichkeit” (Achleitner, 1995) zu erzeugen.
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| Lurcat realisierte einen dreigeschossigen Reihenhausblock mit 4 Wohneinheiten, flach gedeckt. Die Strassenfassade weist eine hermetisch geschlossene, durch die Halbzylinder der Stiegenhäuser aber prägnant rhythmisierte Front auf. An der Gartenseite dagegen wurden für den Wohnbereich im 1. und den Schlafbereich im 2. Geschoss in die geschlossene Blockform breite Fensterbänder eingeschnitten. Das Erdgeschoss war zur einen Hälfte für einen Durchgang weit geöffnet, die andere Hälfte blieb bis auf einen schmalen waagrechten Fensterschlitz glatte Wand, hier waren Keller und Nebenräume untergebracht. Lurcats in die Höhe “gestelzte” Reihenhäuser mit den übereinander gestapelten Funktionsbereichen der Wohnung und einer betonten Distanz zum Garten entsprechen in ihrer Wirkung eher einem städtischen Geschosswohnbau und nicht der zwanglosen Verbundenheit mit der Natur, die vom Wohnen in einer Gartensiedlung erwartet wurde. Die Bauten André Lurcats lösten auch keinerlei Echo im Wiener Baugeschehen aus.
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| André Lurcat zählte zu den Hauptvertretern der funktionalistischen Architektur Frankreichs vor dem 2. Weltkrieg. Im sozialen Nutzen sah man die höchste Aufgabe der Architektur, weshalb auch die Grundrisse in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückten und die Bedürfnisse des Wohnens (wie Luftraum, Besonnung, Hygiene und Organisation des Haushaltes) zu berücksichtigen hatten. Arbeits- und Materialökonomie sollten die Ästhetik des Neuen Bauens prägen. Die Architektur wurde vom Dekorativen befreit und die reine Form angestrebt. In Lurcats auf die Funktion ausgerichteter, reduzierter Architektur dominiert die schmucklose Blockform mit flachem Dach. Die glatten, simslosen Flächen seiner würfelförmigen Häuser wurden bloß durch die ausgeschnittenen, meist oblongen Fenster belebt. Die Fenster waren damit die visuellen Träger des neuen Bauens, ihre harmonische Proportionierung war ausschlaggebend für den architektonischen Ausdruck. Purismus kennzeichnete nicht nur die Formgebung, sondern auch die Farbgebung, Lurcats Bauten sind vor allem weiss. |
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Werke
| WOHN-/GESCHÄFTSBAUTEN:
In Frankreich:
| 1924 | V. Rousset, Eaubonne
| 1924-1925 | Studio Jean Lurcat, Maison Quille, Cité Seurat, Paris
| 1925 | Maison Bertrand, Cité Seurat, Paris
| 1925-1926 | Maison Hugler, Citè Seurat, Paris, Maison Bomsel und Maison Michel, Versailles
| 1926 | Maison Guggenbuhl, rue Nansouty, Paris
| 1927 | Galerie Barbazanges, Paris, Appartement-Häuser, Bagneux
| 1929-1931 | Ferienhotels (Nord-Süd), Calvi, Korsika
| 1932 | Villa Hefferlin, Ville d’Avray
| 1947-1950 | Feriencenter, Meriel
| 1951 | Maison Leduc, Sceaux
| 1953 | Maison Michault, Sceaux
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in Österreich:
| 1930-1932 | Reihenhäuser, Werkbundsiedlung, Wien 13, Veitingergasse 87/89/91/93
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in Russland:
| 1934 | Wohnhaus für Ingenieure der Metro, Moskau |
ÖFFENTLICHE BAUTEN:
In Frankreich:
| 1930-1933 | Karl-Marx-Schule, Villejuif bei Paris
| ab 1946 | Durchführung des Wohbauprogramms, sowie öffentlicher und sozialer Einrichtung für Villejuif bei Paris, Saint-Denis, Maubeuge, Le Blanc-Mesnil und Nancy
| 1952-53 | Schulgebäude, Le Blanc-Mesnil
| 1953 | Kindertagesstätte, Saint-Denis
| 1964-1967 | Rathaus, Le Blanc-Mesnil
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In Russland:
| 1935 | Schule im Rayon Proletarski, Moskau
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Planungen für das Gesundheitsministerium
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INNENRAUMGESTALTUNG/DESIGN:
| 1923 | Teilnahme am Salon d’Automne, Paris, ebenso 1924
| 1926 | Ausstellung „Französische Kunst der Gegenwart“ in Wien, Künstlerhaus
| 1926 | Betreuung der Section d’Architecture bei der 2.Ausstellung des „Comité Nancy-Paris“ in Nancy (mit Theo van Doesburg)
| 1931 | Teilnahme Kolonial-Ausstellung, Vincennes
| 1933 | Teilnahme an Trienale von Mailand an Seite von Perret |
NICHT REALISIERTE PROJEKTE:
| 1931-1932 | Projekt einer vertikalen Stadt für Villejuif
| 1932 | Projekt für Flughafen auf der Seine, Paris
| 1932 | Stadtplanung Paris
| 1934 | Projekt für Akademie der Wissenschaften in Moskau (Wettbewerb) |
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Primärquellen
| PUBLIKATIONEN:
| A. Lurçat: Über Architektur. In: Österreichische Bau- u. Werkkunst 2.1927, S.53ff
| A. Lurçat: Architecture. Projects et realisations, Paris 1929
| A. Lurçat: Sozialisierung der Wohnung. In: Österreichische Bau- und Werkkunst 8.1932, S.183ff |
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Sekundärquellen
| LITERATUR:
| G.C. Argan: Die Kunst des 20. Jahrhunderts 1880-1940. Propyläen Kunstgeschichte, Frankfurt/Berlin/Wien 1984
| A. Becker u.a. (Hrsg.): Architektur im 20. Jahrhundert. Österreich (Ausst.Kat.), München/New York 1995
| J.-L. Cohen: André Lurcat 1894-1970, Autocritique d’un modern, Liège 1995
| A. Gmeiner / G. Pirhofer: Der österreichische Werkbund. Salzburg/Wien 1985
| L. Hildesheimer (Hrsg.im Auftrag des dt. Werkbundes): Internationale neue Baukunst 1927. Baubücher Bd.II, Reprint Berlin 2002
| P. et R. Joly: L’architecte André Lurçat, Paris 1995
| A. Krischanitz / O. Kapfinger: Die Wiener Werkbundsieglung, Wien 1985
| G. Weissenbacher: In Hietzing gebaut. 2 Bde. 1999-2000
| Wr.Allg.Zeitung 2.6.1932, S.4: André Lurçat in Wien. | HINWEISE AUF WERKE:
| Österreichische Bau- u. Werkkunst
| 8.1932, S.184 (Häuser der Wr. Werkbund-Siedlung) | NACHSCHLAGEWERKE:
| Achl. III/2
| Dehio Wien/3 (X.-XIX.u.XXI.-XXIII.Bez.) | LEXIKA:
| Vollmer; AKL | INTERNETLINKS:
| www.archinform.de |
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Anmerkungen
| Vollmer gibt als Geburtsdatum 27.4.1894 an, AKL sowohl 27.4., als auch 27.8.1894 | Eingegeben von: Jutta Brandstetter | Eingegeben am: 01.05.2006 | Zuletzt geändert: 16.02.2007 |
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