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Erwin Raimann, der sich offensichtlich in seiner Wiener Tätigkeit ausschließlich auf den Wohnbau spezialisiert hatte, hinterließ ein sehr kleines Werk, das lediglich aus fünf Miethäusern besteht.
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In der Fassadengestaltung der Wohnbauten tritt immer wieder das Erkermotiv als Hauptgliederungselement in Erscheinung. In Wien 8, Krotenthallergasse 2 (1909) werden die beiden Erker mit den jeweiligen halbrunden Dachgiebelaufsätzen und den dazwischen liegenden Gitterbalkonen noch sehr konservativ in den strengen Gründerzeitraster der Fassade eingebaut. Blütenranken (aus denen auch die Balkongitter bestehen) und Bänder bilden die ornamentale Ausgestaltung. Die turmartig abgerundete Ecklösung reagiert auf die leicht gekrümmte Schönborngasse und zeigt bereits Raimanns Eigenart, seinen Bauten durch einzelne Gestaltungselemente eine gewisse Dynamik zu verleihen.
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So werden in den beiden Wohnhäusern von 1911, Untere Weißgerberlände 43-45, die Erker bereits zum polygonalen Gestaltungselement und statt eines Dachgiebelaufsatzes bilden Balkone den Abschluss. Vereinzelt findet man noch Rankenwerk und Dreiecksgiebel, diese Elemente treten aber bereits deutlich in den Hintergrund. Passend zur Bezeichnung ist die Fassade des sog. „Bubihofs“ hellbau und das Pendant des „Mädihofs“ in Rosa gehalten.
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Eine sehr radikale Lösung in Hinblick auf Reduktion und Vereinfachung, zeigt die Fassade in Wien 9, Meynertgasse 8 von 1911. Die streng aufgebaute Fassade ist ohne Dekor völlig in der Fläche gehalten. Die beiden Seitenfronten werden nur durch helle Farblisenenstreifen mit dazwischenliegenden französischen Fenstern vom Rest der Fassade abgesetzt und bilden so nur mehr ein Zitat eines Erkers.
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Den Höhepunkt in Bezug auf Erkerlösung und Bewegung findet man im siebengeschossigen Wohnhaus in Wien 2, Taborstraße 36 (1912-1915). Vier halbrunde Erker werden in einer Reihe direkt nebeneinander gesetzt, so dass ein undulierender Gesamteindruck entsteht, an dem sich auch die Parapetfelder des 5.Obergeschosses mit Relieffeldern mit Aktfiguren und die Balkone im Obergeschoß mit halbrunden Aufsätzen anpassen.
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In Summe zeigen Raimanns Bauten eine durchwegs persönliche Handschrift, wobei das Miethaus in Wien 2 sicherlich die eigenwilligste und kreativste Leistung eines an sich unbekannt gebliebenen Architekten darstellt.
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Erwin Raimann war ca. 35 Jahre alt, als er den letzten dokumentierten Wohnbau in Wien plante. Eine möglicherweise interessante Weiterentwicklung seines durchaus individuellen Baustils kann durch seine Auswanderung leider nicht verfolgt werden. |
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